Standortauswahlverfahren – einfach erklärt
von Rechtsanwältin Suzan Goldschmidt, Stand 18.01.2023
Die in Gorleben und anderen Zwischenlagerstandorten oberirdisch in Hallen lagernden hochradioaktiven Atommüll-Castoren warten auf eine Endlagerung. Alle Zulassungen für die Behälter (Castoren) und Zwischenlager laufen ab 2035 sukzessive ab.
Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) sucht nach einem Standort und hat im September 2020 einen Zwischenbericht vorgelegt. Darin sind 90 „Teilgebiete“ ausgewiesen. Darunter 60 Salzstöcke, 14 im Flachsalz, 9 im Wirtsgestein Ton und 7 im Wirtsgestein Granit.
Die Teilgebiete im Flachsalz, Ton und Granit sind so großflächig, dass sie sich gar nicht untersuchen lassen. Es liegen auch kaum Geodaten darüber vor.
Die Salzstöcke hingegen sind räumlich stark eingrenzbar und bei der Rohstoffsuche bereits untersucht.
Für die 90 Teilgebiete wurde ganz grob festgestellt, dass keine grundsätzlichen Ausschlusskriterien vorliegen und sie die Mindestanforderungen erfüllen können. Dann wurden auch ganz grob die sog. 11 geologischen Abwägungskriterien angewandt.
Nun sollen bis 2027 aus den 90 Gebieten 6 bis 10 mögliche Standorte ausgewählt werden. Das geschieht auf der Grundlage der vorhandenen Geodaten.
Der Salzstock Bahlburg wurde zur Modellregion erklärt, um die sog. „vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen“ (siehe Erklärung weiter unten) exemplarisch durchzuführen.
Das Standortauswahlgesetz stelle ich unten in Stichworten kurz vor.
Es hat aus unserer Sicht und auch aus der Sicht einiger Experten erhebliche Mängel:
- Es setzt voraus, dass der Standort „mit der bestmöglichen Sicherheit“ gefunden werden kann. Das ist mit diesem Verfahren nicht möglich, da für die Flächengebiete kaum Geodaten vorliegen und auch keine erhoben werden.
- Das StandAG beschäftigt sich nur mit der Sicherheit des Einlagerungsorts. Das hoch risikobehaftete Einlagerungsverfahren wird im StandAG nicht mit einbezogen. Es werden ca. 1.900 Castoren in bereits nicht mehr sicheren Behältern angefahren, in einer Konditionierungsanlage „ausgepackt“ und in neue Endlagerbehälter gepackt. Der Leiter der Aufsichtsbehörde der BGE hat eingeräumt, dass ein Unfall bei diesem Vorgang die gleichen Folgen haben würde wie der Reaktorunfall in Tschernobyl.
Aufgrund dieses sog. Betriebsrisikos bei der Einlagerung muss die Bevölkerungsdichte als Abwägungskriterium eine wichtige Rolle spielen. Das StandAG sieht die Bevölkerungsdichte überhaupt nicht als Abwägungskriterium vor.
1. Sicherheitsanforderungen für die Einlagerung
Gemäß § 26 StandAG und Endlagersicherheitsanforderungsverordnung (EndlSiUntV) vom 06.10.2020:
Sicherer Einschluss - keine Strahlung
Rückholbarkeit 500 Jahre
Wartungsfreiheit für 1 Million Jahre
zu ermitteln anhand:
von geowissenschaftliche Anforderungen und Kriterien
§§ 22 Ausschlusskriterien, § 23 Mindestanforderungen, § 24 Abwägungskriterien
11 Kriterien mit Unterkriterien in Anlagen 1-11 zu § 24 (Beispiel am Ende dieses Artikels *)
zu ermitteln durch:
Jeweilige vorläufige Sicherheitsuntersuchungen nach § 27 und
Endlagersicherheitsuntersuchungsverordnung (EndlSiUntV) vom 06.10.2020
https://www.gesetze-im-internet.de/endlsiuntv/BJNR210300020.html
bestehend aus
Geosynthese (Interpretation der geowissenschaftlichen Daten),
vorläufiges Sicherheitskonzept und
vorläufige Endlagerauslegung (Größe, Barrieren gegen Störfaktoren etc.)
2. Verfahrensschritte des Standortauswahlverfahrens (3 Phasen)
nach Standortauswahlgesetz StandAG (2017, 2020)
https://www.gesetze-im-internet.de/standag_2017/StandAG.pdf
3 Phasen
mit 3 (repräsentative nach § 14, weiterentwickelte nach § 16 und umfassende nach § 18) vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen
Phase 1 (Teil 1): Teilgebiete ermitteln § 13, → Zwischenbericht vom 20.09.2020 https://www.bge.de/fileadmin/user_upload/Standortsuche/Wesentliche_Unterlagen/Zwischenbericht_Teilgebiete/Zwischenbericht_Teilgebiete_barrierefrei.pdf
90 Teilgebiete: 60 Salzstöcke, 14 in Flachsalz, 9 im Tongestein und 7 in Granit
Bahlburg Teilgebiet 035 00 TG 057 001 G S s z auf Seite 239
Phase 1 (Teil 2): aktuell (hier befinden wir uns gerade 2023)
Es werden auf der Grundlage der vorhandenen Daten 6-10 Standorte ausgewählt.
Phase 2: übertägige Erkundung der 6-10 Standorte und Auswahl von ca. 2 Standorten
Phase 3: untertägige Erkundung der ca. 2 Standorte
Prüfung und Entscheidung durch die BASE (Aufsichtsbehörde) für einen Standort und Beschluss des Bundestags
3. Zeitplan
Zeitplan alt (2020): Phase 1 bis 2024, Phase 2 und 3 bis 2031
Einlagerung ab 2050
Zeitplan neu (2022):
Phase 1 bis 2027,
Phase 2 bis 2037 und
Phase 3 bis 2046 (Erkundung nur mit Bohrungen) oder 2068 (Erkundung mit Bergwerken)
Einlagerung ab 2066 oder 2088
*11 geologische Abwägungskriterien: